Erkrankungen

Muskelkrämpfe

Zahlreiche Menschen leiden unter Muskelkrämpfen. Hierbei kommt es zu einer unwillkürlichen schmerzhaften Kontraktion der Skelettmuskulatur, die mit einer tastbaren Verhärtung einhergeht, am häufigsten sind nächtliche Wadenkrämpfe. Lesen Sie hierzu auch den Beitrag aus der NDR Sendung Visite.

Ursachen

Muskelkrämpfe haben keine einheitliche Ursache. Den gewöhnlichen nächtlichen Wadenkrämpfen liegt meist keine spezifische Erkrankung zu Grunde. Meist handelt es sich hierbei um neurogene Muskelkrämpfe, bedingt durch eine nervale Übererregbarkeit motorischer Nerven. Es wird angenommen, dass eine Übererregbarkeit der Alpha-Motoneurone durch Beteiligung afferenter Nervenfasern von Dehnungsrezeptoren in Sehnen und Muskeln eine Rolle spielt, dieses würde auch erklären, dass Dehnen des betroffenen Muskels zu einer raschen Besserung führt. Desweiteren wird angenommen, dass in den terminalen Aufzweigungen der motorischen Nerven eine Überaktivität von Ionenkanälen zu einer Übererregbarkeit von Nerven führt. Untersuchungen von Forschern haben gezeigt, dass die Muskeln durch elektrische Reizungen schon bei sehr viel niedrigerer Reizintensität auf Impulse reagieren. Muskelkrämpfe treten vor allem in der Wadenmuskulatur und Fußmuskel auf, können aber auch andere Muskelgruppen an den Beinen, Armen und Händen oder am Rumpf lokalisiert sein. Selten können auch primäre Muskelerkrankungen (z.B. Myotonien, Glykogenosen oder Störungen der intrazellulären Calciumverteilung im Muskel) sowie Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Parkinson oder Erkrankungen mit einem erhöhten zentralen Muskeltonus) mit Muskelverkrampfungen einhergehen.

Muskelkrämpfe werden begünstigt oder ausgelöst durch starkes Schwitzen, unzureichende Flüssigkeitsaufnahme nach körperlicher Anstrengung, muskuläre Überlastung, durch Störungen des Mineralhaushaltes, z.B. durch Einnahme von entwässernden Medikamenten (Diuretika), Durchfällen, schwere Nierenfunktionsstörung (Urämie) oder Hämodialyse. Begünstigende Faktoren sind hormonelle Störungen der Schilddrüse oder der Nebenniere sowie Unterzuckerungen. Auch in der Schwangerschaft treten Muskelkrämpfe häufiger auf, verschiedene Medikamente können Muskelkrämpfe verursachen (siehe Auflistung Ende), sodass schon die Anamnese häufig wesentliche Fakten zur Ursache der Muskelkrämpfe erkennen. Andererseits können auch neurologische Erkrankungen der motorischen Nerven, Polyneuropathien, eine Spinalstenose, Nervenwurzelschädigungen, z.B. durch Bandscheibenvorfälle, selten treten Muskelverkrampfungen bei neurologischen Autoimmunerkrankungen (z.B. Neuromyotonie) oder familiär gehäuft auf und sind genetisch bedingt (z.B. familiäre Crampus-Faszikulations-Syndrome).

In den allermeisten Fällen sind Muskelkrämpfe harmlos und bedürfen keiner weiteren Diagnostik. Eine Untersuchung der Leber- und Nierenwerte, der Elektrolyte sowie der Schilddrüsenwerte kann durch Ihren Hausarzt erfolgen um evtl. internistische Ursachen aufzudecken. Sollte es jedoch zu einer deutlichen Zunahme der Häufigkeit von Muskelkrämpfen führen oder Muskelkrämpfe in ungewöhnlichen Körperregionen außerhalb der Waden und Füße, z.B. auch am Rumpf oder den oberen Extremitäten auftreten oder Muskelkrämpfe durch körperliche Aktion selbst ausgelöst werden und nicht nur in Ruhe auftreten, ist eine weitere Diagnostik durch den Neurologen erforderlich. Dies gilt insbesondere, wenn Muskelkrämpfe zusammen mit Faszikulationen oder Muskelschwäche auftreten um zugrundeliegende neuromuskuläre Erkrankungen abzugrenzen und zu differenzieren. Wichtig ist auch die Abgrenzung, ob es sich wirklich um Muskelkrämpfe oder Schmerzen anderer Ursache handelt.

Therapie

Beim akuten schmerzhaften Muskelkrampf hilft sofortige Dehnung. Falls Sie regelmäßig Medikammente einnehmen überprüfen Sie diese auf Muskelkrämpfe als mögliche Nebenwirkung (siehe unten) und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob diese pausiert werden können. Reduzieren Sie ggf. Ihren Alkohol und Koffeinkonsum. Zur nicht medikamentösen Prophylaxe kann bei Muskelkrämpfen die regelmäßige Dehnung der betroffenen Muskeln, z.B. abends vor dem Zubettgehen hilfreich sein und die Neigung zu Muskelkrämpfen reduzieren (Cochrane Rev 2012). Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass eine spezielle repetitive Elektrostimulation der zu Muskelkrämpfen neigenden Muskeln zu einer Verminderung von Muskelkrämpfen führen kann (Behringer et al. 2014).

Die Einnahme von Magnesium kann hilfreich sein, häufig sind allerdings höhere Dosen erforderlich, limitierender Faktor sind dann häufig doch Nebenwirkungen des Magen-Darm-Traktes (Durchfall). Allerdings konnten Studien zeigen, dass Magnesium außerhalb der Schwangerschaft keine sichere Wirkung gegenüber Placebo aufweist (Cochrane Rev 2012), so dass hier im Einzelfall entschieden werden muss, ob Magnesium zur Prophylaxe von Muskelkrämpfen überhaupt geeignet und wirksam ist.

Die Anwendung von Chinin Sulfat, das in Deutschland seit 2015 wieder rezeptpflichtig ist wird kontrovers diskutiert. Einerseits ist es bei therapieresistenten Muskelkrämpfen eindeutig wirksam, welches auch in Studien belegt werden konnte (Cochrane Rev 2012). Andererseits bestehen Sicherheitsbedenken, da es insbesondere bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen, zu teilweise allergisch bedingten Blutbildveränderungen sowie Nieren- und Leberschäden kommen kann. Auch eine Verstärkung des Tinnitus ist möglich, sodass die Einnahme immer unter ärztlicher Begleitung und regelmäßiger EKG- und Blutbild-Kontrolle erfolgen sollte.

Weitere Medikamente zur Therapie von Muskelkrämpfen, z.B. durch so genannte Natrium- und Kalziumkanal blockierende Substanzen (Antiepileptika, Medikamente zur Behandlung neuropathischer Schmerzen), können hilfreich sein, bedürfen aber der regelmäßigen Einnahme und Begleitung durch einen Arzt (Serrao et al. 2000, Liewluck et al. 2014).

Medikamente die Muskelkrämpfe auslösen können

Häufig:

  • Antidepressiva und Psychopharmaka (einige)
  • Lithium
  • Donepezil
  • Levodopa/Carbidopa
  • Diuretika
  • Beta2-Agonisten und Theophyllin (Asthma Medikamente)
  • Cholinesterase-Hemmer
  • Ramipril
  • Ciclosporin
  • Tamoxifen
  • Koffein
  • Bergamotte-Öl
  • Alkohol

Selten:

  • Cholesterinsenker (Statine und Fibrate)
  • Östrogene (einige)
  • Kalziumantagonisten
  • Betablocker vor allem mit intrinsischer (sympathikomimetischer) Restaktivität
  • ACE Hemmer
  • Sartane
  • Alendronsäure und Zolendronsäure
  • Celecoxib